Der Autodidakt ist, wie das Wort schon sagt, ein sich selbst Lehrender, oder einer, der sich etwas selbst beigebracht hat.
Der Autodidakt hat natürlich Vorbilder wie jeder regulär Kunst Studierende auch, und er hat natürlich auch Lehrer, sowohl tote als auch lebende, denen er Wissen, Fertigkeiten und Anregungen verdankt. Der größte Unterschied zum Absolventen einer Kunstakademie: Sein Studiengang ist ein individueller – er sucht sich seine Anreger jeweils selbst, geht seinen künstlerischen Fragen ohne Lehrplan nach. Und er stellt die künstlerischen Fragen dann erst, wenn sie ihm auf natürliche Art begegnen, und er tut es dann so lange, bis er sie, so gut er konnte, genauer stellen konnte und kennen gelernt hat. Wirklich lösen kann man echte Fragen wahrscheinlich nicht, denkt er.
Der Autodidakt im besten Sinne des Wortes erspart sich keine Zweifel, keine Fragen, er geht viele Umwege, erspart sich nichts. Seine „Lösungen“ sind von Grund auf gewachsen und mit seiner Person in Übereinstimmung.
Er ist ein Experte in Lehrmethoden.
Denn er hat bereits einem Schüler nach seinen eigenen Methoden zum Erfolg verholfen: Der Schüler ist er selbst gewesen.
Er hat diesen Schüler studiert. Er hat die zahlreichen Tricks dieses Schülers durchschaut, seinem Lehrer etwas vorzumachen. Er hat seine Faulheit kennen gelernt, seine Mutlosigkeit, seine Zweifel an sich selbst, seine Wut auf den Lehrer. Aber er hat nicht nachgegeben, und diesen Schüler immer wieder motiviert. Ihm keine Ruhe gelassen. Setz dich wieder hin und fang noch mal an, hat er gesagt. Und noch mal und noch mal. Denk drüber nach, hat er gesagt. Was gefällt dir an deinem Blatt und was nicht.
Wie kannst du das, was dir bereits gefällt, noch steigern. Wie kannst du Fehler nächstes Mal verkleinern, ihnen Schritt für Schritt zu Leibe rücken.
Der Autodidaktische Lehrer hat sich Methoden und Techniken ausgedacht, mit denen der autodidaktische Schüler gezwungen war, bestimmte künstlerische Probleme zu lösen.
Und wenn die Methode nichts getaugt hat, hat er sie abgewandelt und durch eine präzisere ersetzt, eine, die kein Ausbrechen zulässt, eine Fingerübung, eine Geistesübung. Etüden, Herausnehmen eines Falles aus dem Zusammenhang, in dem er auftrat, und als isoliertes Einzelproblem studieren. Im vereinfachten Modell. Im Kleinen zuerst, dann im Großen. Dann, wenn etwas Klarer geworden ist, Rückbau, Anwendung im Kontext. Viele viele tausende, wörtlich!: hunderttausende Lehrversuche.
Und er war flexibel, dieser Lehrer. Vergiss im Ernstfall, was du von andern Lehrern gehört hast, was du in Büchern gelesen oder sonst wo aufgeschnappt hast, hat er dem Schüler gesagt. Entscheidend ist die Fruchtbarkeit: Wer weiter dran bleibt, weiter Begeisterung entfachen kann, egal wie, der ist am richtigen Weg.
Und löse keine Fragen, sondern erweitere sie, zerfächere sie in tausend Verästelungen. Behalte alles im Auge, ohne es endgültig zu lösen. Es gibt wahrscheinlich keine Lösungen.
Vielleicht ist der Autodidakt auch deswegen ein guter Lehrer für andere. Weil er nie etwas anderes getan hat als einen Schüler zu unterrichten, sogar einen sehr störrischen und begriffstutzigen und faulen und mutlosen Schüler zu unterrichten: sich selbst nämlich.
©Wolfgang Glechner, Wien, im Juni 2012

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